Seit Neuestem ist der Google-CEO Eric Schmidt Chef des Internets. Anders ist der Hilferuf der Musikindustrie - was für ein Wort! - an diesen Adressaten nicht zu erklären. Der Hilferuf einer Musikindustrie, die es versäumt hat und immer noch versäumt, das Internet als neuen Markt zu erkennen und zu nutzen, einer Musikindustrie, die völlig hilflos und frustriert Kapriolen schlägt, einer Musikindustrie, die sogar faschistische Züge zeigt, nur um ihren Willen durchzusetzen. Wers nicht glaubt, der lese andächtig ihren Brief an Eric Schmidt (der Brief kann mit einem Klick darauf einzeln angezeigt und mit Stgr und + vergrößert werden): Die faschistischen Züge bestehen in zwei Punkten. Der erste ist, dass Filesharer mit Kinderschändern in einen Topf geworfen werden. Das ist die faschistische Technik des Rufmordes. Auch ich teile Musik mit der Aussenwelt, im "Roter-Punkt-Radio" stelle ich eigene Aufnahmen klassischer und eigener Musik zur Verfügung, Aufnahmen also, an denen die Musikindustrie kein Interesse hat. Bin ich deshalb in der Lage, Kinder zu schänden? Die Musikindustrie sagt ja, ich sage: Trollt euch, husch husch, ins Körbchen! Es ist schon unglaublich, was sich die Musikindustrie hier herausnimmt, ihr fehlendes Rechtsverständnis ersetzt sie durch puren Faschismus. Denn dass Fielesharer mit Kinderschändern in einen Topf geworden werden, ist nur die Spitze des Eisberges und mir wird ganz kalt bei dem Gedanken, die Musikindustrie könnte jemals das Sagen bekommen. Viel gravierender ist ihr Verständnis oder besser: ihr Unverständnis der Gerichtsbarkeit. Zugegeben, alle Filesharer schänden Urheberrechte, ich auch, ich schände meine eigenen und werde dafür büßen müssen, das ist nur gerecht, aber wie die Musikindustrie sich das in der Praxis vorstellt, edas schreit zum Himmel. Der zweite Punkt ist also: Die Provider sollen in die Pflicht genommen werden, sie sollen zugleich Privatpolizei und Privatgerichtsbarkeit sein, Rechtsweg selbstverständlich ausgeschlossen. Ich bin mir sicher, dass die deutsche Musikindustrie, wie man das ja von ihr kennt, dem amerikanischen Vorbild folgen wird. Ich frage mich ernsthaft, ob diese Firmen keine Rechtsberater haben, sondern offensichtlich nur Rechtsverdreher beschäftigen. Rechtsberater also, die sie vor dem Schlimmsten behüten. Die Provider sollen also eine Art SS werden, nicht ausgestattet mit dem Recht zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen, sondern ganz im Gegenteil mit der Pflicht. Das Internet wird wieder einmal als "rechtsfreier Raum" angeprangert, nichts ist weniger wahr, alle Aktivitäten im Internet unterliegen dem jeweiligen nationalen Recht und die Behörden sind nur noch nicht in der Lage, ihren Rechtsanspruch adäquat durchzusetzen, mangels Personal und mangels Eignung des sparsam vorhandenen Personals. In diese Bresche will jetzt die Musikindustrie springen. Das ist an sich nichts Neues, aber die Unverfroerenheit, auf den Zug der Debatte um die Netzneutralität aufzuspringen, hat es so noch nicht gegeben. Jetzt soll also das gesamte Internet nach den Vorstellungen von totalen Versagern auf diesem Gebiet reguliert werden, selbst die Freiheit der Informationsbeschaffung steht auf dem Spiel, wenn Provider völlig willkürlich Datenströme zensieren dürfen. Was der Politik nicht gelingen mag, die Regulierung des Internets und der Aufbau einer Zensurinfrastruktur, das soll jetzt auf diese Art und Weise erledigt werden. Wenn das in Deutschland Usus wird, bin ich der erste, der in meiner Heimatstadt eine Verfassungsklage einreicht und ich bin mir sicher, dass ich nicht der einzige bin. Dann stehen dem Rufmord alle Türen offen, denn die Parole lautet: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns und muss vernichtet werden, eine Haltung, die jedem Deutschen in unliebsamer Erinnerung sein sollte. Ich vergleiche die Musikindustrie nicht mit Faschisten, ich beschuldige sie des Faschismus'. Um des lieben Geldes willen sollen Grundrechte ausser Kraft gesetzt werden, eine Hure, die für Geld alles tut, steht da noch moralisch höher. Eine Hure befriedigt ein Bedürfnis, die Musikindustrie will ihr eigenes Bedürfnis befriedigen. Ihr Bedürfnis nach Geld ist so allumfassend, das alles andere dem zu weichen hat. Und die Politik? Sie wird der Musikindustrie "entgegenkommen", wird doch da auch ein eigenes Bedürfnis befriedigt, nämlich das der Regulierung ihrer Bürger. Nichts ist so gefährlich wie die Freiheit, wenn die einmal gekostet ist, will niemand mehr ohne durchs Leben gehen. Das kann nicht angehen und so wird ein Deal gemacht werden, der dem Bundesverfassungsgericht wieder Hände voll Arbeit besorgen wird. Denn Däumchen drehen ist in Deutschland ein Delikt und so fordere ich die deutsche Musikindustrie auf, Stellung zu nehmen. Sie werden sich hüten und erst einmal abwarten, was sich in Amerika tut. Denn sie haben noch ein anderes Problem: Die Künstler beginnen weg zu laufen und ihre Projekte auf eigene Rechnung herauszubringen. Der Musikindustrie steht das Wasser bis zum Hals, in jeder Hinsicht voll und ganz durch eigenes Verschulden. Wenn schon das Internet sie nicht retten kann, so soll wenigstens die Regulierung des Internets mit faschistischen Methoden dies bewerkstelligen. Dass dafür der Verlust der Netzneutralität herhalten muss, wird noch spannend, hat sich doch die deutsche Regierung dem Erhalt der Netzneutralität verschrieben. Spannend wird die Frage, wer aufgrund welchen faulen Kompromisses in Erklärungsnöte geraten wird. Bleibt nur noch die Frage, ob der Google-CEO Eric Schmidt der richtige Adressat für diesen ungewollt komischen wie auch faschistischen Vorstoß der Musikindustrie ist. Ich fürchte, nein. Google verfolgt zwar geschäftliche Interessen, aber leider nur die eigenen. Und die stehen denen der Musikindustrie diametral gegenüber. Google will nicht die Netzneutralität des Internetzes antasten, die soll erhalten bleiben, sondern nur die der Mobilfunknetze und neuer Dienste. Darum geht der Deal mit Verizon, der geplant ist. Würde Google die Netzneutralität des Internets antasten, wäre die direkte Folge, dass sie als einer der größten Dienstleister im Internet tief in die Tasche greifen müssten, um ihre Dienste weiterhin anbieten zu dürfen. Das geht natürlich nicht und so ist es im Interesse Googles, die Netzneutralität des Internets unangetastet zu lassen, das ist das komplette Gegenteil der Interessen der Musikindustrie. Google wird sich also nicht breitschlagen lassen und den Brief der Musikindustrie lediglich zur Kenntnis nehmen. Vielleicht folgt auch eine höfliche, aber ablehnende Antwort. Das hängt von der Tagesform des Herrn Schmidt ab. Für die Musikindustrie galt bis jetzt: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Mit diesem Vorstoß ist der Krug zerbrochen. Die Tage der Musikindustrie, wie wir sie kannten, sind endgültig gezählt, das Aufbäumen des Verlierers und Versagers wird nichts mehr nutzen. Dieser Brief ist die Pleiteerklärung eines verzweifelt um sich schlagenden Industriezweiges. Es sei denn, sie machen das Internet im letzten Moment doch noch zu einem Geschäftsmodell. Wie das geht, macht Google jeden Tag vor. Aber das Internet wird als der erklärte Feind gesehen und das ist der Untergang der Musikindustrie. Sie ruhe sanft und in Frieden!
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