Glossen (zum alltäglichen Wahnsinn)
Aus den unermeßlichen Weiten des Internets

eiPOTT

Das Erbacher Unternehmen koziol muss sich einen neuen Namen für einen Eierbecher des Designers Michael Neubauer einfallen lassen, den es bislang unter der Bezeichnung eiPOTT vertreibt. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg sieht in dem Namen eine Verwechslungsgefahr mit einem Medienabspielgerät des Herstellers Apple (Az.: 5 W 84/10). Nach Angaben von koziol sei Apple dieser Sieg erst im dritten Anlauf gelungen, nachdem der Computerhersteller bereits vergeblich versucht habe, die Herstellung und den Vertrieb des Eierbechers generell verbieten zu lassen.
Einer koziol-Pressemeldung zufolge stütze sich die Begründung des Gerichts in erster Linie auf die klangliche Zeichenähnlichkeit. Die Richter gestünden der Namensgebung zwar zu, sie sei "eine witzige Idee und man muss auch erstmal darauf kommen. Eine humorvolle oder parodistische Auseinandersetzung […] vermag der Senat aber nicht zu erkennen.“ Daher könne man den Aspekt der Kunstfreiheit nicht gelten lassen. Allerdings verwundere die Ausführung, dass koziol zwar jedes andere Produkt seines Sortiments eiPOTT nennen dürfe, nur eben keinen Eierbecher. Quelle: Heise online
Die inkriminierten Eierbecher weisen aber auch rein äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit zum iPod auf:

Schade, dass deutsche Richter keinen Humor haben, den sie zwar erkennen und würdigen, aber eben nicht haben. Durch dieses Urteil steht jetzt eine Klagewelle ins Haus. Die Regierungen von iNdonesien, iRak oder iRan können sich schon mal warm anziehen. In heimischen Gefilden geht es zuerst der eiDechse an den Kragen, dann der eiChe und der eiBe, gefolgt durch eine Klage gegen die Produzenten dieses ovalen Dinges, das manchen deutschen Frühstückstisch schmückt. Apple hat nämlich das Namensrecht auch für Dinge und Geräte des Haushalts festlegen lassen. Nicht umsonst ist das Apple-Logo ein angebissener Apfel: Paradiesische Zeiten kommen auf uns zu. Apple hat vom Baum der Erkenntnis gegessen!

Aufklärung

Berlin (dpa) - Die Betreiber des Internetportals Wikileaks wollen brisante Dokumente aus anonymen Quellen öffentlich zugänglich machen.
Wird das von Wikileaks denn nicht schon gemacht?
Dass der Name an Wikipedia erinnert, ist gewollt: Wie bei dem großen Mitmach-Lexikon kann jeder etwas veröffentlichen. Bei Wikileaks geht es speziell um geheime Dokumente, das englische Wort «leak» bedeutet «undichte Stelle».
Ach so!
Die Idee dahinter: Kritische Journalisten und Blogger sollen die geheimen Informationen aufgreifen und die Öffentlichkeit informieren. Die Informanten werden auch als «Whistleblower» (Tippgeber) bezeichnet. Die Macher von Wikileaks bezeichnen ihre Plattform als unzensierbar - eine komplexe technische Infrastruktur soll gewährleisten, dass die Dokumente nach Veröffentlichung nicht mehr zu löschen sind. Das Material gelangt auf unterschiedlichen Wegen zu den Mitarbeitern, am häufigsten über die Website Wikileaks.org.
Aha!
Zunächst nannte Wikileaks als primäres Ziel, «von Unterdrückung geprägte Regime» zu unterwandern. Schlagzeilen machen allerdings vor allem Veröffentlichungen aus der westlichen Welt. Zuletzt hatte Wikileaks im Juli mit der Veröffentlichung von zehntausenden Geheimdokumenten der US-Armee aus dem Afghanistan-Krieg für Aufregung vor allem in Washington gesorgt.
Auch brisante Dokumente aus Deutschland stehen online - seit November 2009 etwa der einst unter Verschluss gehaltene Mautvertrag zwischen der Bundesregierung und dem Betreiberkonsortium Toll Collect. Über Jahre hatten Journalisten und Bundestagsabgeordnete vergeblich versucht, Einsicht in den Vertrag zu bekommen.
Na sowas!
Mit ihrer Arbeit machen sich die Wikileaks-Aktivisten bei Regierungsbehörden und Streitkräften keine Freunde. Sie selbst und auch Experten gehen davon aus, dass die Organisation im Visier der Geheimdienste steht. Die meisten Mitarbeiter treten daher nur mit Pseudonym in die Öffentlichkeit.
Renommierte Medien wie die Zeitungen «New York Times» und «Guardian» oder eben auch das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» greifen mittlerweile immer wieder auf Dokumente von Wikileaks zurück. Kritiker vermissen redaktionelle Kontrolle. Um keinen Fälschungen aufzusitzen, prüfen die Mitarbeiter alle Dokumente vor der Veröffentlichung, so gut sie eben können. Das entbindet Journalisten aber nicht von der Pflicht, selbst nachzurecherchieren.
Recht so!
Die Wikileaks-Macher treten zwar für Transparenz ein, über sich selbst geben sie indes kaum etwas preis. Hinter dem Projekt steckt eine Non-Profit-Organisation namens The Sunshine Press - über die allerdings auch nicht viel bekannt ist. Die Organisation selbst erklärt, sie sei unter anderem von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Anwälten ins Leben gerufen worden. Als führender Kopf von Wikileaks gilt der Aktivist Julian Assange.
In einem Artikel der «taz» hieß es über Wikileaks: «Konsequent zu Ende gedacht, müsste irgendwann auf Wikileaks ein Dokument auftauchen, das die Namen der angeblich nur fünf Hauptamtlichen und um die 1000 freien Mitarbeiter offenlegt.»
Genial!

Theorie

Warum immer die amerikanischen Geheimdienste, selbstverständlich völlig unverschuldet, für Verschwörungstheorien aller Art herhalten müssen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben:
Stockholm (dpa) - Knapp 24 Stunden hat Schwedens Polizei den Australier Julian Assange vom Enthüllungsportal Wikileaks wegen Verdachts auf Vergewaltigung per Haftbefehl gesucht und dann plötzlich einen Rückzieher gemacht.
«Es gibt für mich keinen Grund zu dem Verdacht mehr, dass er eine Vergewaltigung begangen hat», erklärte die Oberstaatsanwältin Eva Finné am Samstag. Am Vorabend hatten zwei Frauen nach Sex mit dem 39-Jährigen bei dessen Schweden-Besuch letzte Woche Anzeige erstattet.
Assange war im Juli mit der Veröffentlichung Zehntausender geheimer US-Dokumente zum Krieg in Afghanistan weltweit bekannt geworden und zog dabei auch den Zorn der US- Geheimdienste auf sich.
Er meinte zu dem schwedischen Haftbefehl und der postwendenden Veröffentlichung seines Namens als möglichem Vergewaltiger in einer Twitter-Mitteilung: «Wir sind vor "schmutzigen Tricks" gewarnt worden. Jetzt erleben wir den ersten.» In der Stockholmer Zeitung «Aftonbladet» (Internetausgabe) sagte Assange am Sonntag, er sei konkret vor «Sex-Fallen» gewarnt worden.
Er habe «keine Ahnung», wer die beiden Frauen seien, die ihn wegen Vergewaltigung sowie sexueller Nötigung angezeigt hatten. Zum Vorwurf sexueller Gewalt meinte er: «Weder in Schweden noch sonst wo habe ich jemals Sex ohne völlige Freiwilligkeit beider Seiten gehabt.» Als seinen Aufenthaltsort gab der Internet-Aktivist das Ferienhaus eines Bekannten im nördlichen Schweden an. Er will zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn in dem skandinavischen Land bleiben.
Die Nachricht vom Haftbefehl gegen den Australier schlug weltweit in den Medien sowie bei Internet-Bloggern, der Twitter-Gemeinde und Internet-Foren wie eine Bombe ein. Hinzu kam, dass in dem Fall auch der Name des Verdächtigen genannt wurde, was in Schweden extrem ungewöhnlich ist. Assange gab an, dass sogar er selbst von dem zeitweiligen Haftbefehl aus den Medien erfahren habe: «Ein Freund, der Schwedisch kann, hat es im Netz gefunden und mich informiert.»
Im Internet kursierten zahlreiche Verschwörungstheorien über mögliche politische Hintergründe für den Vergewaltigungsverdacht. Im offiziellen Wikileaks-Blog stellten sich die Mitarbeiter hinter ihren Kollegen: «Wir sind zutiefst beunruhigt über die Schwere der Vorwürfe. Wir, die Leute hinter Wikileaks, empfinden starken Respekt für Julian. Er hat unsere volle Unterstützung.»
Ja, natürlich!

Ein freundliches Halbzitat

Stockholm (dpa) - «Unsere Anschuldigungen gegen Julian Assange sind natürlich weder vom Pentagon noch von jemand anderem inszeniert worden.» Diese Versicherung einer der Schwedinnen, die die Vergewaltigungsklage gegen den Wikileaks-Gründer ins Rollen gebracht hatte, kam am Sonntag nicht von ungefähr.
Ihre am Vortag blitzschnell in aller Welt verbreitete Anzeige wegen sexueller Gewalt schien allzu gut zur wütenden Ankündigung von US-Verteidigungsminister Robert Gates passen: Man werde die Veröffentlichung Zehntausender geheimer US-Dokumente zum Afghanistan-Krieg durch Wikileaks offensiv untersuchen.
Robert Gates hat nicht gesagt, man werde den Vorfall offensiv untersuchen, er sagte, man werde den Vorfall aggressiv untersuchen und hat damit die Verschwörungstheorien erst angestachelt.
Der bizarre Verlauf des Stockholmer Wochenend-Dramas gab den sofort im Internet kursierenden Verschwörungstheorien reichlich Nahrung. Am Freitagabend stellte die Staatsanwaltschaft nach den Aussagen der Schwedin sowie einer zweiten Frau mit ähnlichen Vorwürfen einen Haftbefehl gegen den Australier aus. Das Boulevard-Blatt «Expressen» berichtete am folgenden Tag, ohne dass Assange Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber Polizei oder Journalisten gehabt hätte.
«Ich hab von dem Haftbefehl gegen mich aus "Expressen" erfahren», ließ der nach einer Woche Schweden-Besuch abgetauchte Internet-Aktivist später per Mail wissen. Dass der Name eines Beschuldigten in einem so frühen Stadium Medien veröffentlicht wird, ist hier eine fast beispiellose Ausnahme.
Wer daran wohl ein Interesse hatte? Die amerikanischen Geheimdienste ganz sicher nicht!

Ich war zum Glück nicht von der Partie!

Wäre ich nominiert gewesen, ich hätte ernsthaft an mir gezweifelt:
Marl/Köln (ddp). Der 10. Grimme Online Award ist am Mittwochabend in Köln in fünf Kategorien an acht Web-Angebote verliehen worden. In der Kategorie Information siegten das regionale Fußballportal «FuPa» sowie die «Soukmagazine», wie das Adolf-Grimme-Institut in Marl mitteilte. In der Kategorie Wissen und Bildung wurden die Webangebote «beroobi - Erlebe Berufe online», «Das Wunder von Leipzig», «Ein Jahr auf dem Bauernhof» sowie «Little Berlin - Ein Dorf deutscher Geschichte» ausgezeichnet. Für den Bereich Kultur und Unterhaltung ging «Frischfilm - Die Kurzfilmplattform des Schweizer Fernsehens» als Sieger hervor; die Kategorie Spezial ehrte «Tiny Tales - Micro Fiction auf Twitter». Der Publikumspreis ging an «Fernsehkritik-TV».
Die gläsernen Trophäen zum zehnjährigen Jubiläum des Grimme Online Award wurden den Preisträgern zum Abschluss des medienforum.nrw in der Kölner Vulkanhalle überreicht. Miriam Pielhau moderierte die Veranstaltung, bei der zum zweiten Mal auch der «klicksafe Preis für Sicherheit im Internet» verliehen wurde. Eine Premiere war die erstmalige Übertragung der Preisverleihung als Livestream im Internet.
Bei den diesjährigen Nominierungen fanden sich dem Institut zufolge neben den Angeboten publizistischer Meinungsführer auch eine Reihe von Nischen-Angeboten, die meist privat erstellt werden. Ausgezeichnet wurden acht Web-Angebote, die «durch außerordentliche publizistische Qualität im Netz hervorstechen».

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